Hypothese aufstellen

Wie man eine wissenschaftliche Hypothese richtig aufstellt.

– Erläuterung, Anleitung und Beispiele –

 

Redaktion | 07.07.2020 | Lesedauer 4 min

Der Begriff Hypothese bezeichnet eine für die Forschung zielführende wissenschaftliche Behauptung.

Hypothese aufstellen

Der Hypothese geht in der Regel eine allgemeine Annahme über den Forschungsgegenstand voraus, die das generelle Erkenntnisinteresse beschreibt. Dies wird zunächst in eine These gefasst; in eine konkrete, jedoch noch allgemeine Behauptung, die das strategische Ziel der Forschung beschreibt. Die daraus abgeleiteten Hypothesen dienen der operativen Auseinandersetzung mit dem gewählten Gegenstand, indem sie konkrete Vorgaben für die Realisierung der Forschung machen, deren Ziel es ist, anhand einer Bestätigung (Verifizierung) oder Widerlegung (Falsifizierung) der Hypothesen zu einer allgemeingültigen Aussage, also einer Erkenntnis über den Forschungsgegenstand, zu kommen.

1. Annahme

Der Gebrauch moderner Kommunikationstechnik (Smartphones, Tablets …) hat einen Einfluss auf die Beziehungen ihrer Nutzer untereinander.

2. These

Eine Dominanz indirekter, durch Medien vermittelter Kommunikation gegenüber dem unmittelbaren Austausch von Angesicht zu Angesicht reduziert die Fähigkeit, Empathie zu empfinden.

Nutzung digitaler Medien | Illustration / Hypothese aufstellen

3. Hypothesen:

  • Je mehr Menschen über elektronische Medien miteinander kommunizieren, desto geringer wird ihr Interesse am Erleben ihrer Kommunikationspartner.
  • Je länger und umfangreicher die virtuelle Kommunikation der Individuen ist, desto geringer sind die emotionalen Reaktionen der Empfänger auf die wahrgenommenen Inhalte.

Wenn-dann-Hypothesen und Je-desto-Hypothesen

Der Einsatz von klassifikatorischen oder komparativen Hypothesen hängt von der Skalierung der im Forschungsinteresse stehenden Variablen ab. Können die Variablen etwa lediglich zwei Merkmalsausprägungen (Merkmal liegt vor / Merkmal liegt nicht vor) annehmen, werden aufgrund der dichotomen Skalierung die sogenannten Wenn-dann-Hypothesen verwendet. Die Hypothese „Wenn mehr als 3,5 % der Bevölkerung an einer Bürgerrechtsbewegung teilnehmen, dann ist diese Bewegung politisch erfolgreich“ verdeutlicht somit, dass die Variablenausprägung politischer Erfolg genau dann vorliegt, wenn die Voraussetzung der Beteiligungsschwelle von 3,5 % der Bevölkerung gegeben ist.

Häufiger ist es jedoch der Fall, dass Forschungsvariablen mehr als zwei Ausprägungen annehmen können und somit mindestens ordinal- oder sogar metrisch skaliert sind. In diesem Fall werden probabilistische Beziehungen zwischen zwei Variablen durch Je-desto-Hypothesen ausgedrückt, bei denen die Ausprägungen der einen Variable mit einer Erhöhung bzw. Verringerung der Ausprägungen der anderen Variable einhergehen. Ein positiver Zusammenhang würde dementsprechend in einer komparativen Hypothese folgendermassen formuliert werden: „Je häufiger die Nutzung von sozialen Medien, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Erkrankung.“

Das Aufstellen von Hypothesen ist also ein bedeutender Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens, der sich gedanklich vom Allgemeinen zum Besonderen vollzieht und basierend auf der Theorie in die Forschungspraxis führt. Dieses Prinzip gilt für alle Wissenschaftsdisziplinen, die in dieser Form Erkenntnis gewinnen.

Hypothesen fokussieren das Erkenntnisinteresse auf die wesentlichen Fragen, geben dadurch dem Vorhaben Struktur und tragen so zur Entscheidung bei, welche empirischen Mittel eingesetzt werden können und sollen, um den gewählten Gegenstand zu bearbeiten. Dementsprechend geht das Aufstellen der Hypothesen jeder Forschungs- oder Abschlussarbeit (Bachelorarbeit, Masterarbeit, etc.) voraus.

Die wesentliche Unterscheidung zwischen Thesen und Hypothesen ist dabei, dass Thesen eindimensional sind, während Hypothesen zwei unterschiedliche Variablen miteinander verbinden, sie in eine Beziehung zueinander setzen.

Im obigen Beispiel bezieht sich die These rein auf das Kommunikationsverhalten einer definierten Gruppe. Die Hypothesen hingegen stellen zwischen diesem Verhalten und der Reaktion der Mitglieder dieser Gruppe eine Beziehung her.

Beim Aufstellen von Hypothesen ist darauf zu achten, dass sie folgenden Anforderungen genügen müssen

  • Hypothesen müssen sich in ihrer Herleitung nachvollziehen lassen.
  • Hypothesen müssen allgemeingültig sein, sie dürfen sich also nicht nur auf einen Einzelfall oder eine einmalige Situation beziehen.
  • Hypothesen müssen in sich logisch und schlüssig sein, sie dürfen keine internen Widersprüche enthalten.
  • Hypothesen müssen operationalisierbar sein, d. h. es muss möglich sein, ihre Aussagen in ein empirisches Design zu übertragen, um sie zu überprüfen.
  • Hypothesen müssen falsifizierbar sein. Anders ausgedrückt: Es muss möglich sein, eine Gegenposition zu formulieren und deren Richtigkeit ebenfalls empirisch zu überprüfen.
  • Hypothesen müssen als einfache, möglichst kurze und prägnante Sätze formuliert sein, die Ursache und Wirkung und damit die unterstellte Beziehung der Variablen deutlich machen, entweder als Wenn-Dann-Konstruktion (klassifikatorische Hypothesen) oder als Je-Desto-Konstruktion (komparative Hypothesen).

Man unterscheidet grundsätzlich zwei Arten von Hypothesen, die eine unterschiedliche Form der Beziehung ihrer Variablen unterstellen: Zusammenhangs- und Unterschiedshypothesen.

Es gibt zwei Wege zur Formulierung von Hypothesen. Den induktiven, bei dem anhand der Praxis (häufig von einem Einzelfall) auf ein Prinzip geschlossen wird, und den deduktiven, bei dem die Hypothesen aus der theoretischen Diskussion abgeleitet werden (Induktives und deduktives Forschungsdesign). Beide machen den Charakter der Hypothesen deutlich: Sie sind wissenschaftliche Vermutungen, deren Richtigkeit erst bewiesen werden muss.

Egal also, welchen Weg man beschreitet, es schliesst sich daran eine Übersetzung in ein konkretes empirisches Design an, das diesen Beweis erbringen soll.

Ergibt sich im Verlauf einer Untersuchung, dass eine Hypothese nicht bewiesen werden kann, so ist dies durchaus kein Versagen, sondern ein sinn- und wertvolles Ergebnis.

Trotzdem sollte man darauf achten, die Hypothesen (speziell für eine Abschlussarbeit) so zu formulieren, dass sie sich nicht alle als unhaltbar erweisen.

Denken Sie daran, dass es auch möglich ist, Beiträge zum wissenschaftlichen Diskurs zu leisten, die ohne Hypothesen und damit ohne empirischen Aufwand auskommen.

Zusammenhangshypothese und Unterschiedshypothesen

Zusammenhangshypothesen werden immer dann formuliert, wenn zwischen zwei oder mehr Variablen eine korrelative Beziehung vermutet wird. So kann beispielsweise das Okunsche Gesetz, durch das ein negativ gerichteter Zusammenhang postuliert wird, durch die folgende Hypothese ausgedrückt werden: „Ein Produktionswachstum oberhalb der Beschäftigungsschwelle geht mit einer Verringerung der Arbeitslosenquote einher.“ Entsprechend dem postulierten Zusammenhang erfolgt die statistische Prüfung häufig anhand von Korrelations- oder Regressionsanalysen.

Hypothese über Meditation aufstellen | Illustration

Bei Unterschiedshypothesen stehen dagegen Unterschiede in Bezug auf eine abhängige Variable zwischen zwei oder mehr Gruppen im Fokus. Diese finden beispielsweise im Rahmen der Interventionsforschung häufig Anwendung. Die Hypothese „Patienten/Patientinnen, die im Zuge ihres klinischen Aufenthaltes an Achtsamkeitsübungen teilgenommen haben, weisen gegenüber Patienten/Patientinnen ohne Teilnahme eine schnellere Remission auf“ impliziert hierbei einen Unterschied in der abhängigen Variable der Remission zwischen zwei Untersuchungsgruppen. In der statistischen Prüfung von Unterschiedshypothesen werden daher vor allem t-Tests oder Varianzanalysen eingesetzt.

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