Wie ich meine Doktorarbeit schrieb und was ich anders machen würde

Erfahrungsbericht zu einer externen Promotion
Helena | 12.05.2020 | Lesedauer 5 min

Da die Affinität zum wissenschaftlichen Schreiben durch das Studium geweckt wurde und blieb, war der Gedanke, den Weg der Promotion einzuschlagen, schnell gefasst. Darüber hinaus kann ein Doktortitel für die Karriere förderlich sein, wobei die Betonung freilich auf ‚kann‘ liegt. Tja, leichter gesagt als getan. Wie jedem bekannt ist, der sich mit dem Gedanken trägt, sind Stellen an der Universität bzw. Stipendien, also eine interne Promotion, mehr als rar gesät. Und wenn man doch eines der beiden ergattert, sind Auflagen und Verpflichtungen damit verbunden, die nicht jeder eingehen möchte – abgesehen davon, dass man mit Ende 20 doch langsam nicht mehr den Lebensstandard einer Studentin haben möchte. Gesagt, getan: die externe Promotion war mein Weg, wie in diesem Erfahrungsbericht zur Dissertation erläutert wird.

Autorinnenprofil:

Helena studierte Germanistik und Geschichte im Haupt- sowie Interkulturelle Germanistik im Nebenfach. Ihrer Universität blieb sie danach als Promovendin treu. Als Ghostwriterin schreibt sie seit 2015 in den Bereichen Literaturwissenschaft, Erziehungswissenschaft und Geschichte.

Doktorvater / Doktormutter finden

Nun auf und davon … oder eher auf die Suche nach Doktormutter oder Doktorvater

Meine Studienzeit an der Uni war beendet, aber die Bindung an sie noch eng. Tatsächlich hatte ich auch bei einigen Professorinnen und Professoren einen guten Stand und konsultierte die, in deren Fachbereich ich gerne promovieren wollte – in der Neueren Deutschen Literaturwissenschaft, einem Teilbereich der Germanistik. Meine Kompetenz und wahrscheinlich etwas Glück führten dazu, dass einer meiner Dozenten, damals Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sich noch positiv an mich erinnerte und dem Betreuungsverhältnis zustimmte. Die nächsten Schritte lauteten: Thema suchen und Exposé schreiben.

> Doktormutter / Doktorvater finden

Themeneingrenzung

Angefangen bei Helden ging es zu Serienmördern hin zur Menschenwürde

Meine wilde Themensuche begann ausgehend von der Masterarbeit, in der es um den Heldenbegriff bei Kleist und Rousseau ging und darum, wie dieser bei beiden Autoren oszilliert. Nachdem ich aber keine Lust mehr hatte, weitere Jahre meines Lebens in der Epoche der Romantik zu bleiben, entschied ich mich für einen Sprung in die Gegenwartsliteratur – ganz pragmatisch: Je neuer das Thema, desto weniger Sekundärliteratur gibt es zu wälzen und zu zitieren – immer auch ein ganz klares Argument, um nicht über Goethe, Schiller u. Ä. zu schreiben. Das sollte man zumindest meinen. Aber wie ich in diesem Erfahrungsbericht zur Promotion nun preisgeben kann, kam ich nicht umhin, Hunderte von Büchern zu wälzen und genauso viele Autoren zu zitieren, da man sich in einer Dissertation so oder so in einen umfassenden Wissensdiskurs einordnet. Surprise! So funktioniert eine Dissertation.

Caspar David Friedrich: Ostermorgen, um 1835Caspar David Friedrich: Ostermorgen, um 1835

Joel Muniz: Dead or alive, 2019Joel Muniz: Dead or alive, 2019

Auf jeden Fall bewegte ich mich weiterhin im Bereich des Verbrechens und hielt Serienmörder für ein interessantes Thema, was es unbestritten auch ist. Sich diesem jedoch innerhalb der Germanistik auf einem hohen wissenschaftlichen Niveau zu nähern, ist ein Unterfangen, welches kaum ein anständiges Textkorpus hergibt, das nicht in den Bereich der Belletristik fällt. Da ich aber weiterhin gebannt vom Verbrechens-Topos war, eröffnete sich, auch aufgrund gegenwärtiger Entwicklungen, der Themenbereich der Menschenwürde für mich. Zwei Jahre Brainstormen und Themensuche endeten dann doch erfolgreich mit dem Identifizieren eines innovativen und aktuellen Themas.

> Thema finden

Je neuer das Thema, desto weniger Sekundärliteratur gibt es zu wälzen und zu zitieren.

Exposé

Deluxe-Situation: Exposé-Erstellung in enger Zusammenarbeit mit dem Doktorvater

Wie es das Schicksal wollte, natürlich (!) auch meiner Kompetenz und meinem Glück geschuldet, fing mein Doktorvater zwei Jahre nach Beginn des Betreuungsverhältnisses an, an meiner Uni zu arbeiten. Ja, die Themenfindung dauerte etwas länger bei mir, fiel eben auch dummerweise mit diesem ‚Arbeitsleben‘ zusammen – und dem Beginn bzw. Aufbau einer Selbstständigkeit. Auf der 30er-Löffelliste stand der Doktortitel, doch davon konnte ich mich gepflegt verabschieden. Das ist kein Verlust, nur das eigene Ego leidet etwas, wenngleich: In universitären Sphären ticken die Uhren glücklicherweise langsamer als in der Welt, die nach der akademischen Ausbildung wartet. Aber zurück zum Thema (im wahrsten Sinne), welches ja nun nach zwei eleganten, geistig natürlich hochintensiv genutzten Jahren gefunden war – also so grob zumindest eben, wie ich in diesem Erfahrungsbericht zur Doktorarbeit zugeben muss. In enger Zusammenarbeit erstellte ich innerhalb von vier Monaten ein stabiles Exposé mit meinem Doktorvater, welches als Leitlinie und Ausgangspunkt für meinen Schreibprozess diente. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich schon ahnen können, dass dieses ganze Unterfangen prinzipiell länger dauern könnte, wenn ich mit meinem Doktorvater zusammen schon vier Monate für vier Seiten benötigte.

> Exposé der Doktorarbeit

Das Schreiben

Die Diss schreiben mal anders, nämlich unbroken

Nach geschmeidigen zwei Jahren seit der Anmeldung begann doch tatsächlich das Schreiben meiner Doktorarbeit. Jeder, der sich auf ein Dissertationsprojekt einlässt, geht mit Sicherheit keinen geradlinigen Weg, sondern hat seine Stolpersteine – seien sie nun privater, beruflicher oder akademischer Natur. Das bedeutet: Wenn man eine Sache mitbringen muss, dann ist es Geduld, denn eine Promotion ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Vielleicht ist sie auch eher wie fünf Marathons. Also ist einem immer geholfen, wenn man sich vor Augen führt, dass in der Ruhe die Kraft liegt, um sich komplexen Sachverhalten auch adäquat annehmen zu können. Man könnte meinen, zumindest dachte ich das, dass das Schreiben per se tatsächlich den wesentlichen Teil eines solchen Projektes einnehmen würde.

Beim Aufstellen eines Zeitplans für die Doktorarbeit ist es wichtig, langfristig zu planen. Das gesamte Promotionsverfahren nimmt in fast allen Fachbereichen in jedem Fall mehrere Jahre Zeit in Anspruch. Übersicht zum Aufwand einer Promotion.

Dem war irgendwie nicht so, jedenfalls nicht bei mir. Den eigentlichen Text verfasste ich binnen eines Jahres, was danach passierte, waren Nachbesprechungen mit dem Doktorvater und Nacharbeiten meinerseits, die sich noch mal zweieinhalb Jahre hinzogen. Das Schreiben an sich fühlte sich immer gut an, weil letztendlich immer etwas produziert wurde und ein Fortschritt auch sichtbar war. Die gefühlt endlosen und unzähligen Korrekturschleifen mit dem Doktorvater hingegen forderten wirklich alle Kraft und Geduld, die ich aufbringen konnte. Es ist ein knallharter Drahtseilakt zwischen dem Vertreten der eigenen Gedanken und Forschungen sowie den Kompromissen, die man mit dem Doktorvater eingehen muss. Wählt man den Weg der externen Promotion, erfolgt alle Arbeit im Urlaub, nach Feierabend und an den Wochenenden, an denen alle Freunde frei haben; dessen muss man sich bewusst sein. Die Entscheidung dahin gehend, welchen Preis man für einen Doktortitel zu zahlen bereit ist, ist dabei stets eine individuelle – I’ve paid my dues.

> Extern oder intern promovieren?

Camilo Jimenez, 2019Camilo Jimenez, 2019

Disputation

Verteidigung im Blindflug … oder doch nicht?

Nach etwa fünf Jahren war es dann soweit: Der Doktorvater und ich waren zufrieden und die Dissertation wurde eingereicht. Nun war noch die Disputation zu erledigen, zu der ich auch Eltern und Freunde einlud. Das hielt ich zu Beginn für eine geniale Idee, am Tag der Disputation dann eher weniger. Ich nahm an, da ich fünf Jahre aus der Uni raus war, bereits im Arbeitsleben stehe und nun eine gestandene Frau bin, dass ich die Disputation im Blindflug auf einer Pobacke absitze, auch wenn die Produktion einiger Textteile schon etwas länger her war. In dem Moment kurz vor der Verteidigung konnte ich meiner Argumentation aber nicht mehr so ganz folgen und die Aufregung erwischte mich eiskalt. Aber – Vorsicht, Spoiler – ich habe es überlebt und brilliert, letzten Endes ist es ja mein Projekt, mein Text und ich bin die Expertin dafür.

Nach der Einreichung der Dissertation ist das Promotionsverfahren noch lange nicht beendet. Es folgen diverse weitere Schritte, die ebenso wichtige Bestandteile des Verfahrens wie die Dissertation selbst sind und somit auch die Gesamtbewertung noch einmal stark beeinflussen können.

Was ich auf Grundlage der Erfahrung mit meiner Promotion anders machen würde? Letzten Endes gar nichts. Das war mein holpriger und langer Weg, für den ich mich mit allen Konsequenzen entschieden hatte. Jedem, der eine Promotion anstrebt, kann ich nur raten, sich gut zu überlegen, ob er oder sie die zeitlichen Ressourcen und über Jahre hinweg auch die Kraft dafür aufbringen möchte – und überhaupt die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt.

> Zulassungsvoraussetzungen zur Promotion

Was ich auf Grundlage der Erfahrung mit meiner Promotion anders machen würde?
Letzten Endes gar nichts.

Disserationssupport

Dissertation – natürlich unbroken

Wenn Sie – egal in welcher Phase des Verfahrens – Hilfe bei Ihrem Promotionsvorhaben benötigen, wenden Sie sich an die Expertinnen und Experten von ACAD WRITE.

Promotionshilfe